Gabor-Linse
Dennis Gabor war bei der Entwicklung von Elektronenmikroskopen auf der Suche nach einer radialsymmetrischen
Zerstreuungslinse für Elektronenstrahlen. Dafür schlug er eine Linse vor [1], die konzeptionell mit einem Magnetron verwand ist,
weil sie es ermöglicht Elektronen in Form einer Wolke im Linsenvolumen einzuschließen. Sie besteht aus zylindrischen Elektroden,
die in das Magnetfeld eines Solenoiden eingebettet sind, so dass dessen Magnetfeld \(B_z \) in axialer Richtung verläuft.
Wird die mittlere Elektrode zur Anode, indem sie gegenüber den beiden benachbarten auf ein positives Potential aufgeladen wird, ergibt
sich eine Potentialwanne, die durch negative Ladungen aufgefüllt werden kann. Das Raumladungspotential \(\Phi_r \) des
Ladungsträgerensembles kann im Idealfall das Potential der Anode vollständig kompensieren, so dass \( \Phi_A = \Phi_r \) gilt.
Unter der Annahme einer homogenen Ladungsträgerverteilung im Inneren der zylindrischen Anode kann mit Hilfe des Gaußschen Satzes
die Ladungsträgerdichte für ein gegebenes \( \Phi_A \) berechnet werden. Sie ergibt sich aus \[ \Phi_r(r) = -\int_{0}^{R_A}E_r(r) dr = \frac{e n_e R_A^2 }{4 \epsilon_0} \]
und es folgt für die Dichte bei \( \Phi_A = \Phi_r \) \[ n_e = \frac{4 \epsilon_0 \Phi_A }{e R_A^2 } \]Der Einschluss in der Potentialwanne
sorgt dafür, dass nur eine Ladungsträgersorte eingeschlossen werden kann. Bei positivem \( \Phi_A \) sind das zum Beispiel Elektronen
oder es könnten auch negative Ionen oder Antiprotonen sein. Bei negativem \( \Phi_A \) ließen sich Protonen oder auch Positronen
einschließen.
In radialer Richtung können die eingeschlossenen Ladungsträger wegen des axialen Magnetfeldes \(B_z \) nicht aus der Gabor-Linse
entkommen, denn die Lorentz-Kraft \( F_L = e v_{\Theta} B_z \) wirkt auf die Ladungen. Gleichzeitig wirkt aber auch zum Beispiel bei Elektronen
mit ihrer Masse \( m_e \) die Zentrifugalkraft \(F_z \) und die Raumladungskraft \(e \cdot E_r \) des Ensembles radial nach außen. Daraus
ergibt sich ein Kräftegleichgewicht \[ -\frac{m_e \cdot v_{\Theta} }{ r } = -eE_r-e v_{\Theta} B_z \] für einen stabilen Einschluss in
radialer Richtung. Um dieses Gleichgewicht zu beurteilen schlägt R.C. Davidson [2] vor, die einzelnen Therme der Gleichung durch entsprechende
Frequenzen auszudrücken. Es ergibt sich für die Rotationsgeschwindigkeit die Rotationsfrequenz \[ \omega_e = \frac{ v_{\Theta} }{ r } \]für
das Magnetfeld die Zyklotronfrequenz \[ \Omega_c = \frac{ e B_z }{ m_e } \] und das Raumladungsfeld läßt sich durch die Plasmafrequenz
ausdrücken \[ E_r = - \frac{ m_e }{ 2 e} \cdot \omega^2_{pe} \cdot r \] Werden diese Frequenzen in die Gleichung für das
Kräftegleichgewicht eingesetzt, ergibt sich eine quadratische Gleichung \[ - \omega^2_e = \frac{ \omega^2_{pe} }{ 2 } - \omega_e \Omega_c\]
mit den beiden möglichen Rotationsfrequenzen \[ \omega^{\pm}_e =-\frac{ \Omega_c }{ 2 } \left[ 1 \pm \left(1-\frac{ 2 \omega^2_{pe} }{ \Omega^2_c } \right)^{ \frac{1}{2}} \right] \]
als Lösungen. Die Rotationsfrequenzen \( \omega⁺_e \) und \( \omega^-_e \) werden maximal und nehmen beide den gleichen Betrag,
nämlich \( \Omega_c /2 \) an, wenn \[ \frac{ 2 \omega^2_{pe} }{ \Omega^2_c } =1 \]ist. Durch Umformung der Gleichung ist
ersichtlich, dass sich hieraus die maximal mögliche Dichte errechnen läßt, die durch das Magnetfeld eingeschlossen werden
kann. \[ n_e = \frac{ \epsilon_0 B^2_z }{ 2 m_e } \] Diese maximale Dichte wird auch als Brillouin-Flow-Limit bezeichnet [3], weil sie gleichermaßen
für die Ladungsträgerdichten von Ionen- oder Elektronenstrahlen gelten, die durch Solenoide fokussiert werden.
weiterführende Informationen
Obige Ausführungen sind sehr stark verallgemeinert und gelten nur unter bestimmten idealisierten Annahmen. Im Rahmen unserer Forschung beschäftigen wir uns mit den Eigenschaften der nicht-neutralen Plasmen, die durch den Einschluss in Gabor-Linsen bestimmt sind, aber auch auf die einschließenden Felder rückkoppeln können.
Der radiale und das longitudinal Einschluss kann unabhängig von einander eingestellt werden, so dass beliebige Ladungsträgerdichten untersucht werden können. Dies kann auch im Bezug auf den Füllgrad erfolgen, also ob das Anodenpotential vollständig kompensiert und oder das Brillouin-Flow-Limit erreicht ist.
Seit dem Vorschlag von D. Gabor zur Verwendung von Raumladungslinsen für die Fokussierung oder Defokussierung von Ionen- und Elektronenstrahlen haben sich verschiedene Forschungsgruppen mit dieser Thematik beschäftigt. Ein kurzer Abriss soll verdeutlichen, in welchem Forschungskontext wir tätig sind..
[Gab 01] D. Gabor. A Space-Charge Lens for the Focusing of Ion Beams. Nature, 160:8990, 1947.
[Dav 01] R. C. Davidson. Physics of Nonneutral Plasmas, Imperial College Press, 1990.
[Bri 01] L. Brillouin. A Theorem of Larmor and Its Importance for Electrons in Magnetic Fields. Phys. Rev., 67:260266, Apr 1945.